Designer Interview

Kilian Kerner: “Krebs darf kein Tabuthema sein”

Franziska Gajek
Von Franziska Gajek
13.07.2023 / 16:03 Uhr

Wer sich mit Modedesignern zum Interview verabredet, spricht eher selten über das Thema, was bei unserem Talk mit Kilian Kerner im Fokus stand. Krebs. Gleich drei Menschen erkranken innerhalb kürzester Zeit im Umfeld des Designers. Auch seine W.E4.FASHION DAY Kolleg:innen Rebekka Ruétz, Marcel Ostertag und Danny Reinke erleben ihre eigenen Geschichten mit der Erkrankung.

Also entscheiden die vier, die seit Januar gemeinsam die Fashion Week in Berlin bespielen, das Thema unter der Überschrift “We Fight Cancer” in den Fokus ihrer Frühjahr / Sommer 2024 Präsentationen zu stellen.

Wir treffen Kilian unmittelbar nach seiner Kollektionspräsentation Backstage zum Interview. Dort erfahren wir, wie die Auseinandersetzung mit dem Thema Krebs Kilian verändert hat und warum Fashion Shows und gesellschaftliches Engagement so gut zusammen passen.

styleranking trifft Designer Kilian Kerner nach seiner Fashion Show in Berlin zum Interview.   Copyright: Getty Images

styleranking: Ihr habt die Show für ein externes Publikum geöffnet und den W.E4.FASHION DAY unter das Motto “We Fight Cancer” gestellt. Warum?

Kilian Kerner: Beim letzten W.E4.FASHION DAY wollten wir Panel-Talks anbieten. Eine Bekannte von Rebekka und Marcel sprach uns damals an und sagte: “Können wir das nutzen, um darüber zu reden, wie wichtig Mode für Krebspatienten ist, die ihre Haare verloren haben oder denen die Brust abgenommen wurde?” Wir fanden: So ein großes Thema können wir nicht auf einem kleinen Panel-Talk abhandeln.

Ich selbst hatte mit dem Thema Krebs kaum Berührungspunkte. Im vergangenen Jahr kam dann der Hammer: Innerhalb von sechs Wochen erkrankten drei Menschen aus meinem Umfeld. Ich versuche so wenig wie möglich in Angst zu leben. Aber das Thema ist jeden Tag präsent.

Dann haben wir entschieden: Wir machen das groß. Zu diesem Zeitpunkt erschien in Deutschland außerdem eine Studie, die besagt, dass jeder zweite Mensch im Laufe seines Lebens an Krebs erkrankt ist.

Wir haben überlegt, was wir tun können. In meinem Umfeld haben zwei Menschen dank der DKMS überlebt. Einer hat die erste Spende abgestoßen. Danach haben sie sogar zwei Spender für ihn gefunden. Also war klar: Wir wollen mit der DKMS arbeiten.

Viele Menschen wissen gar nicht, wie leicht es heute ist, ein Leben zu retten. Zu 90 Prozent wird die Spende nicht mehr aus dem Knochenmark, sondern ganz einfach aus dem Blut gewonnen. Wir alle könnten morgen selbst betroffen sein – oder unsere Tochter, oder unser Freund. Also müssen wir uns registrieren lassen. Nicht nur für die anderen, auch für unsere Freunde, Familie, für alle.

Gibt es ein schöneres Geschenk, als jemandem das Leben zu schenken? Nein!

Bei der Deutschen Krebshilfe war uns so wichtig, auf die Früherkennungsuntersuchungen aufmerksam zu machen. Je früher man Krebs erkennt, desto größer sind die Heilungschancen. Hier müssen auch die Krankenkassen aufwachen und Früherkennungsuntersuchungen viel früher bezahlen. Mein Großcousin war 18, als er die Diagnose bekam.

"Vor einigen Tagen war ich zu Gast in der NDR-Talkshow und habe da rum geweint"

styleranking: Wie hat dich die Auseinandersetzung mit dem Thema Krebs verändert?

Kilian Kerner: Mich hat es komplett umgehauen, als ich meinen Freund kennenlernte und erfuhr, dass seine Schwester mit neun Jahren Blutkrebs hatte – eine sehr aggressive Form.

Die Ärzte haben damals ihren Bauch untersucht, weil sie über Bauchschmerzen klagte. Sie war ein halbes Jahr im Krankenhaus, kam nach Hause und sechs Wochen später kehrte der Krebs zurück. Dann hieß es: Wir wissen, ihre Tochter ist neun, aber machen sie sich bitte keine Hoffnungen. Das sieht nicht gut aus. Dann hat man ihr ihren letzten Wunsch erfüllt. Heute ist sie 26 Jahre alt und kerngesund.

Als ich das erste Mal bei meinem Freund war, hat sein Vater mir diese Geschichte mit Tränen in den Augen erzählt. Das war so berührend. Seitdem habe ich mich mehr mit dem Thema beschäftigt.

styleranking: Sollte sich die Modebranche häufiger in dieser prominenten Form mit solchen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen?

Kilian Kerner: Viele Firmen springen gerade auf Themen auf, die en vogue sind – sie setzen eine Pride-Kollektion etc. um. Ich finde es auf einer generellen Ebene wichtig, dass Menschen mit einer Reichweite ihre Stimme nutzen – auch außerhalb der Mode. Wenn ich zu einem Thema wenig beitragen kann, lasse ich es sein. Aber zu diesem Thema kann ich etwas sagen.

Vor einigen Tagen war ich zu Gast in der NDR-Talkshow und habe da rum geweint. Später erreichten mich viele Briefe, in denen sich die Menschen dafür bedankten, dass wir dieses Thema in den Fokus rücken. Krebs ist ein Tabuthema. Das darf nicht sein. Wir könnten alle morgen selbst die Diagnose erhalten. Wir sollten nicht in Angst leben, aber uns dessen bewusst werden.

styleranking: Ihr habt die Show für Menschen außerhalb der Branche geöffnet, um mit den Tickets Spenden zu sammeln. Hat dieses Konzept eine Zukunft, obwohl damit die Exklusivität verloren gehen könnte?

Kilian Kerner: Fashion Shows sind seit Social Media alles andere als exklusiv. Die Menschen, die sich die Tickets für unsere Shows gekauft haben, saßen zudem in einem gesonderten Bereich. Aber das ist alles scheiß egal. Wir haben richtig viel Asche eingenommen, weil die Leute Tickets gekauft haben, wie verrückt. Wir können jetzt viel Geld spenden und darum ging es uns.

Die DKMS und die Deutsche Krebshilfe brauchen Geld. Wir haben selbst auch alle gespendet, aber wollten mehr tun. Jetzt kam richtig viel zusammen. Ich glaube, die Krebspatienten und die Krebsforschung werden uns dankbar sein. Und dann ist mir egal, ob irgendjemand sagt, das sei nicht mehr vogue genug. Wenn ich ein Menschenleben retten kann, sind wir gerne nicht mehr „en Vogue“

"Ich liebe Los Angeles. Dort riecht alles nach Freiheit"

styleranking: Deine Kollektion trägt den Titel "Beverly Hills 2023.” Was fasziniert dich an diesem Ort?

Kilian Kerner: Alles. Wenn ich da schon lande und in die Stadt reinfahre: Diese Weite, diese große Freiheit, die ich da spüre. Als ich das erste Mal dort war, war ich total enttäuscht. Ich wollte unbedingt ein Hotel am Hollywood Boulevard buchen und dachte dann: Das ist Hollywood? Das sieht ja aus wie Neukölln. Aber wenn man es richtig kennenlernt, ist es toll. Ich liebe Los Angeles. Dort riecht alles nach Freiheit.

styleranking: Du lebst in Berlin. Gibt es ein Lebensgefühl, das du in LA schätzt und in Berlin vermisst?

Kilian Kerner: Die Menschen sind ein bisschen entspannter als hier. Auch, wenn sie sich oberflächlicher verhalten. Ich finde, wir begegnen uns in Deutschland gerade so unentspannt. Das ist furchtbar.

styleranking: Gibt es Charakterzüge, die in Los Angeles mehr in den Vordergrund treten, als hier in Berlin?

Kilian Kerner: Ich will da nicht so viel schlafen. In La stehe ich gern mal um 8 Uhr morgens auf und gehe in ein Restaurant, um zu frühstücken. Das mache ich in Deutschland nicht so häufig. Eigentlich bin ich ein Nachtmensch.

styleranking: Wie tauschst du dich mit Rebekka, Danny und Marcel zu euren Kollektionen aus?

Kilian Kerner: Es ist eine romantische Vorstellung, dass wir am Showtag viel Zeit miteinander verbringen. Wir sehen uns nur die 20 Minuten, während wir die Show der anderen anschauen.

Wir haben uns als Gruppe gefunden und keiner kann es sich mehr ohne den anderen vorstellen – ein Luxus, den wir uns selbst geschenkt haben. Auch, wenn es mehr Arbeit als vorher bedeutet. Wir sind Veranstalter und entscheiden mit der Unterstützung unserer großartigen Agentur Kokomilk alles selbst. Das fühlt sich sehr intensiv an. Und es ist verrückt, weil wir uns selten in live sehen, dafür mehrfach die Woche am Computer. Kontakt haben wir täglich. Aber zwischen uns ist ein sehr enges Bündnis entstanden. Privat sowie Beruflich. Das ist richtig schön.

styleranking: Vielen Dank für das Interview, Kilian.

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