Körperbilder in den sozialen Medien

Kera Rachel Cook: "Ich verstehe den Körper als Zuhause"

Katharina Born
Von Katharina Born
19.04.2021 / 12:18 Uhr

Seit geraumer Zeit bemerken wir in Gesellschaft und den sozialen Medien ein Umdenken: Endlich, muss man sagen, werden Körperbilder in den sozialen Medien diverser und Curvy Fitness & Co. erhalten mehr Aufmerksamkeit.

Wir treffen uns per Video-Call mit Ex-Model Kera Rachel Cook und sprechen mit ihr über das Bewusstsein für Körperformen in den Medien, das eigene Selbstbild und wie man dieses beeinflussen kann.

Kera erlangte 2010 erstmals Aufmerksamkeit als Kandidatin bei Germany's Next Topmodel. Danach arbeitete sie viele Jahre als erfolgreiches Plus Size Model - ihr langjähriger Begleiter: eine Essstörung. Heute hat Kera diese erfolgreich überwunden und leistet Präventionsarbeit an Schulen. Copyright: Bianca Roth

styleranking: Liebe Kera, vielen Dank, dass du dir heute Zeit für uns nimmst.

Model, Fitnesstrainerin und Ernährungsberaterin, Autorin und Unternehmerin, Life Coach. Deine Bio ist lang und vielfältig. Kannst du unseren Lesern von deiner Reise erzählen und verrätst, wo du heute stehst?

Kera Rachel Cook: Ich arbeite aktuell als Coach für Selbstständige sowie Unternehmen. Hier unterstütze ich Einzelpersonen, die sich selbstständig machen möchten und berate Unternehmen bei der Umsetzung von Homeoffice-Strukturen und Co. Als Model arbeite ich bereits seit fünfeinhalb Jahren nicht mehr, weil ich diese oberflächliche Welt gerne hinter mir lassen wollte. Ich habe während meiner Modelzeit unter einer Essstörung gelitten, die ich erfolgreich überwunden habe. Rückblickend hat mir das sehr geholfen. Ich habe gemerkt, worauf es im Leben ankommt und was ich nicht möchte. Ich wollte nicht mehr andere Leute über meinen Wert als Mensch entscheiden lassen.

styleranking: Darüber hinaus hast du eine Lizenz zur Fitness- und Ernährungsberaterin sowie als Entspannungscoach erworben.

Kera Rachel Cook: Diese Lizenz habe ich mit dem Schwerpunkt autogenes Training gemacht und nutze diese Kenntnisse als Tool für meine Coachings, die ich sehr ganzheitlich betrachte. Ich sehe die Ernährung als Werkzeug für ein gesundes Leben. Früher habe ich Fitness gemacht, um abzunehmen und einen perfekten Körper zu haben. Jetzt verstehe ich es als Möglichkeit, meinen Körper kennenzulernen und ihn zu spüren. Eine gute Ernährung ist der Treibstoff für unser Leben. Sie gibt unserem Körper Ressourcen und die Möglichkeit, uns auf das zu fokussieren, was uns wichtig ist. Der Weg dahin ist individuell und es ist substanziell, dass man den Menschen hilft, ihren eigenen Weg zu finden. Ich halte nicht viel von Systemen, die auf alle gleichermaßen angewendet werden. Das eine Fitnessprogramm oder die eine Ernährungsmethode, die für alle richtig sein soll. Es ist ein Problem, dass eine Vielzahl von Sportprogrammen nicht den einzelnen Menschen sieht. Es geht immer nur um Zahlen: Sei es die Zahl auf der Waage, die Zahl auf dem Etikett unserer Kleidung und, und… Wir Menschen sind so unterschiedlich und beharren auf unserer Individualität, aber in diesem Bereich sind wir oft unnötig auf Zahlen fixiert.

styleranking: “Vom selbst bestimmten Model zur selbständigen Andersmacherin” steht auf deiner Webseite. Was machst du heute anders?

Kera Rachel Cook: Alles! Es gibt nichts, was ich nicht anders mache, als früher. Früher habe ich versucht, jemand zu sein, der ich nicht bin. Ich habe versucht, in ein System zu passen. Ich habe versucht so auszusehen, wie ich gedacht habe, dass man es von mir erwartet. Ich habe versucht, Normen zu entsprechen. Ich habe versucht, schön zu sein. Ich habe versucht, meinen Körper dahin zu bringen, um anderen zu gefallen. Heute bin ich an einem Punkt, an dem ich nur noch das tue, was mir wirklich am Herzen liegt. Das verändert alles.

styleranking: Was kann ich tun, um zu einem gesunden Körper- und Selbstbild zu gelangen und was muss die Gesellschaft tun? Was müssen die Medien tun?

Kera Rachel Cook: Ich würde bei mir selbst anfangen. Das Wichtigste ist Abstand von den Bildern im Außen zu bekommen und von den Vorstellungen, die andere pflegen. Solange ich versuche, meinen Körper in eine Richtung zu zwängen, die nicht meinem Typ oder natürlichen Körperbau entspricht, kann ich nur verlieren. Für einen gesunden Körper muss ich von innen heraus spüren, was er braucht. Dazu ist es wichtig, in Kontakt mit seinen Gefühlen zu sein. Ich habe durch meine Diäten erkannt, dass man den eigenen Körper als Freund betrachten muss, der das Beste für einen im Blick hat. Macht man sich das bewusst, merkt man, wie gut der Körper zu einem ist. Das Problem auf Social Media ist, dass viel über das Visuelle stattfindet. Auch wenn Protagonist:innen sich zunehmend weniger perfekt präsentieren und für das Unperfekte werben, handelt es sich wieder um einen optischen Blick auf den Körper.

"Man sollte sein eigenes Körperbild nicht von einer Legitimation durch das Außen abhängig machen".

styleranking: Du hast dich im Rahmen deiner Masterarbeit vor einigen Jahren mit dem Thema “Frauenbilder in den Medien” beschäftigt. Was hat sich seitdem verändert?

Kera Rachel Cook: Mir fällt auf, dass es heute durch diverse Apps immer mehr Möglichkeiten gibt, sich auf Bildern und Videos schöner zu machen. Das Problem hierbei ist: Ob es sich um einen Menschen oder ein bearbeitetes Foto auf Instagram handelt, unser Kopf speichert beides als Bild ab. Er macht dort keinen Unterschied. In der Wirklichkeit kann aber kein Mensch so aussehen, wie auf diesen perfekt inszenierten Bildern. Das ist ein ungesunder Kreislauf: Der Kopf speichert diese Bilder ab und sie werden zu einer Realität. Diese wird zur Normalität und man beginnt, sich zu vergleichen. Natürlich sehe ich auch, dass es mittlerweile entsprechende Gegenbewegungen gibt. Influencer:innen, die natürliche Körperformen zeigen. Das finde ich gut, aber es ist nicht das, was ich machen würde, weil es weiterhin den Blick von außen in den Mittelpunkt stellt.

styleranking: Viele Anhänger der Body Positivity-Bewegung möchten ja genau diese Normalität ändern und dazu beitragen, dass mehr verschiedene Körperformen in den sozialen Medien stattfinden.

Kera Rachel Cook: Das verstehe ich und das ist auch das, was ich versucht habe zu tun, als ich noch Plus Size Model war. Ich finde nur, sein eigenes Körperbild sollte man nicht von einer Legitimation durch das Außen abhängig machen. Postet eine Frau mit Übergewicht sich im Bikini und ich habe erst dann das Gefühl, mich auch im Bikini zeigen zu dürfen, dann mache ich meine Erlaubnis von jemand anderen abhängig. Ich wünsche mir, dass sich Frauen weniger auf ihren Körper als auf ihre Fähigkeiten, Werte und Gedanken konzentrieren. Die Gedanken sollten nicht die ganze Zeit um das Aussehen kreisen.

Copyright: Katerina Jerabkova für Unsplash

styleranking: Auch im Bereich Sport passiert aktuell viel auf Social Media - Stichwort Curvy Fitness. Welchen Bildern begegnest du in diesem Bereich und wie ist es hier um die Diversität bestellt?

Kera Rachel Cook: Ich finde, dass diese Herangehensweise auch wieder ein Label mit sich bringt: Curvy Fitness - Das ist sehr kategorisierend und der Versuch, ein Gegengewicht zu dem zu stellen, was es schon gibt. Wir müssen den ständigen Gedanken an Körper und Leistung loslassen und uns auf das Fühlen konzentrieren. Wir sollten uns bei der Auswahl unseres Sportprogramms eher fragen “Was fühlt sich gut an?” anstatt “Was machen die Anderen und was muss ich tun, um dahin zu kommen?”. Social Media ist in diesem Bereich eine Herausforderung, da sich dort jeder zum Experten machen kann. Das macht die Orientierung schwierig. Durch Social Media kann man viele Menschen erreichen, aber umso weniger individuell ist es. Auf der anderen Seite macht es diese Fülle an Meinungen und Möglichkeiten nicht einfach, das Richtige für sich zu finden. Zunächst muss man für sich klären, wer man ist und wie man funktioniert. Das hilft auch bei der Integration von Sport in den Alltag. Ich habe in meinem Buch “Lieblingskörper” verschiedene Übungen entwickelt, die helfen können, sich und seinen Körper besser kennen zu lernen. Es hilft, wenn man versteht und fühlt, was Körper und Seele brauchen.

styleranking: Zwischen Body Positivity und Body Neutrality? Wo stehst du in der Debatte?

Kera Rachel Cook: Auch Body Positivity kann einen gewissen Druck auf Menschen ausüben, ihren Körper gut finden zu müssen. Oft wird auch hier der Blick von außen auf den Körper gefördert. Body Neutrality trifft es schon eher. Ich würde aber noch einen Schritt weiter gehen: Ich liebe meinen Körper. Aber nicht, weil er schön ist, sondern weil er uns befähigt, großartige Dinge zu tun. Ich verstehe den Körper als Zuhause, das einen das ganze Leben über begleitet.

styleranking: Kann man bewusst lernen, das Selbstwertgefühl weniger an das äußere Erscheinungsbild zu koppeln?

Kera Rachel Cook: Beide Bewegungen, Body Positivity und Body Neutrality, finden sehr viel gedanklich statt. Ich wähle hier einen anderen Ansatz. Es geht um Selbstbewusstsein. Und Selbstbewusstsein meint zunächst das Bewusstsein für sich selbst. Dabei geht es nur um eine Person und nicht darum, was andere von dir denken oder wie sie dir begegnen. Es geht darum, sich bewusst wahrzunehmen. Und das mache ich am besten nicht mit dem Kopf, sondern mit Aktivitäten, die mir helfen, abzuschalten und das Fühlen zu fördern. Denn viele Dinge, die sich in unserem Kopf abspielen, kommen von außen. Hierbei geht es um Normen oder Ideale von Gesellschaft und Medien. Es ist wichtig, Abstand zum Alltag und zu toxischen Denkmustern zu gewinnen. Durch die vielen Menschen, denen wir heute auf Social Media & Co. begegnen, vergleichen wir uns viel mehr. Schaut man sich die Mediengeschichte an, fällt auf, dass es bei neuen Medien oftmals eine lange Zeit gedauert hat, bis sich Menschen auf diese einstellen konnten. Und da Social Media noch in den Kinderschuhen steckt, ist es wenig erstaunlich, dass wir oft überfordert sind. Hier muss jeder den richtigen Weg für sich finden.

styleranking: Danke für das Interview!

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